Donnerstag:
BELLA FIGURA
Wer in Italien positiv wahrgenommen werden möchte, der kommt nicht umhin, stets »bella figura« zu machen: sich geschmackvoll zu kleiden, respektvoll aufzutreten, die Kunst der Kommunikation zu beherrschen. Auch im Bühnentanz kann man davon sprechen, dass es immer um die »bella figura« geht: Wer auf der Bühne steht, muss eine Choreographie spannungsvoll präsentieren, buchstäblich in jeder Situation eine gute Figur machen. In Jiří Kyliáns Ballett »Bella Figura« geht es nun nicht allein um eine überzeugende Darstellung, sondern das längst zum Weltrepertoire gehörende Werk ist eine einzige Feier der Schönheit; seine Uraufführung 1995 zählt zu den berückendsten Tanzmomenten der jüngeren Ballettgeschichte. Danach zeigt das Saarländische Staatsballett David Dawsons preisgekröntes Duett »Faun(e)«, 2009 zur 100-Jahr-Feier der Ballets Russes entstanden, und eine Uraufführung von Stijn Celis. Der Saarbrücker Ballettdirektor hat sich eine bemerkenswerte Partitur vorgenommen: »Antikhthon« von Iannis Xenakis, die vom legendären Choreographen George Balanchine in Auftrag gegeben, von diesem jedoch nie verwendet wurde.
CARMEN
Es war ein heikles Unterfangen von Bizet, ein Drama – sozusagen aus dem Milieu – über ein Verbrechen aus Leidenschaft in der Pariser Opéra-Comique vorzustellen. Das Publikum der Uraufführung, erpicht auf seichte Unterhaltungsmusik, fand die heute meistgespielte Oper der Welt mit ihrer »Barbarenmusik« einfach deplatziert.
Doch Carmen ist nun einmal keine den Volant-Rock schwingende Klischeefigur aus einem Touristikprogramm. Bizets Oper ist die vielleicht erste, wenn nicht einzige realistische Oper. Das Libretto geht auf die gleichnamige Novelle von Prosper Mérimée zurück, der sich auf einen authentischen Fall bezog. Carmen, eine Arbeiterin, liebt das Leben, sie lebt selbstbestimmt und Carmen unabhängig und macht keinen Hehl aus ihrer Lebensmaxime. Ihr Drang nach Freiheit und Ungebundenheit bringt José, den Mann, der um ihretwillen seine bürgerliche Karriere aufgab, an den Rand des Wahnsinns. Doch Carmens Liebe hat Flügel. Als sie sich einem Star der Arena, dem Torero Escamillo zuwendet, passiert das Unvermeidliche.
LA FORZA DEL DESTINO - DIE MACHT DES SCHICKSALS
»Die Welt spielt verrückt. Was sind das bloß für Zeiten!«. Dieser Satz aus dem Munde des Mönchs Fra Melitone könnte programmatisch für Giuseppe Verdis Oper »La Forza del Destino« stehen – aber auch für unsere Zeit. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Schonungslos schuf Verdi mit seinem Melodrama ein bedrückendes Porträt einer von Krieg geprägten, zerbrochenen Gesellschaft, in der Liebe, Zuneigung und Barmherzigkeit wie Inseln des Lichts aus dem Dunkel der Welt erscheinen. »Die Macht des Schicksals« – was bedeutet das? Wer zwingt Leonora und Alvaro als Vatermörder in die Einsiedelei eines Klosters und konfrontiert sie da mit dem hasserfüllten Bruder,der nicht verzeihen kann? Ist es eine Kampfansage an die Heilsverheißung Gottes? Die himmlisch anmutende Kantilene der Solovioline erhebt sich am Ende der Oper – angesichts des Todes der Geliebten des Helden und ihres Bruders. Wer sich da in der tröstenden Dämmerung eines göttlichen Friedens wähnt, verleugnet nur eines: die Macht des Schicksals.
HAIR
»Hair« hatte mit seiner Uraufführung 1967 das Theaterleben am Broadway gehörig aufgemischt und ist heute aktueller denn je: Peace! Love! Freedom! Das AutorenTrio Rado, Ragni und MacDermot brach mit den Sehgewohnheiten des Publikums, dieses Love-Rock-Musical wollte schockieren und schockierte und gehörte dann doch zu den größten Broadway-Erfolgen. »Hair« drückte der Pop-Kultur seinen Stempel auf. Die Sprache war derb und die Darsteller standen teils splitterfasernackt auf der Bühne. Es ging um freie Liebe, Rauschgiftkonsum und Kriegsdienstverweigerung. Aber der anarchistische Musical-Schocker war mehr als nur Protest und Lobpreisung des alternativen Lebens und ist deshalb nicht tot zu kriegen. Eine Geschichte über Menschen, die ihre Meinung sagen und sich für Frieden und Toleranz einsetzen, er-
scheint heute ebenso aktuell wie gegen Ende der 1960er Jahre. In rasend schnell wechselnden episodenhaften Szenen – von einer Handlung kann man kaum reden – feiert diese bunte Revue ihren Protest gegen das Establishment, und die langen Haare der Hippies oder »Freaks«, wie sie sich nennen, sind das Zeichen ihrer Abgrenzung.
HAMLET. STIMMENREICH
»In meinem Herz war eine Art von Kämpfen, das mich nicht schlafen ließ.« William Shakespeare, sicherlich der größte Dichter aller Zeiten, hat mit »Hamlet« das Drama aller Dramen geschrieben. Unzählbar scheinen die Übersetzungen, Interpretationen und Inszenierungen dieses Meisterwerkes der Weltliteratur zu sein. Wer ist Hamlet? Und wie ändern sich die Machtverhältnisse durch den Tod seines Vaters? Wurde König Hamlet tatsächlich ermordet? Wie positioniert sich sein Onkel als neuer Machthaber und wie seine Mutter? Kann sie – kann überhaupt noch jemand in diesem Staat – offen und frei sprechen? Welchen Stimmen am Hofe kann Prinz Hamlet noch Glauben schenken? Wohin kann er sich wenden in seinem Leid? Selbst seiner ihn über alles liebenden Freundin Ophelia scheint er zu misstrauen. Doch was bringt Hamlet so in Rage? Woher kommen seine Empörung, die zerstörerischen Energien und Rachegelüste? Vor mehr als vierhundert Jahren für das Theater geschrieben, bleibt »Hamlet« bis heute eine Herausforderung,
DIE FLEDERMAUS
»In einem Badeort in der Nähe einer großen Stadt« spielt die Operette aller Operetten. Kenner haben unschwer herausgefunden, dass es sich bei der großen Stadt um Wien handelt, und als den Badeort haben sie Baden identifiziert, 25 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegen, seit 1796 Sommerresidenz von Franz I. Niemand lässt sich gerne zum Gespött machen – auch nicht Dr. Falke, der einst nach durchzechter Faschingsnacht im Fledermauskostüm von seinem Freund Eisenstein dem Gelächter der Frühaufsteher preisgegeben wurde. Als Eisenstein zu einer achttägigen Haftstrafe wegen Beamtenbeleidigung verurteilt wird, schlägt Falkes Stunde. Er lockt den Freund auf das Fest des Prinzen Orlowsky, um sich vor Antritt der Gefängnisstrafe noch einmal zu amüsieren. Mit zunehmender Walzerseligkeit und erhöhtem Champagnergenuss macht sich größte Verwirrung breit. Erst der nächste Morgen bringt Klarheit: Alle Verwicklungen waren Teil des Racheplans. Und so nutzt der einst gedemütigte Dr. Falke die Gunst der Stunde zur »Rache der Fledermaus«.
Mittwoch:
DIE RATTEN
In Hauptmanns berühmtem Stück aus dem Jahr 1911 prallen nicht nur die sozialen Konflikte eines Unten und Oben, eines Arm und Reich, sondern auch die unterschiedlichen ästhetischen Vorstellungen von Welt aufeinander. Im schönen, morbiden Schein rund um einen alten Theaterfundus in einer ehemaligen Kavalleriekaserne zu Berlin wird jedes Leid zum Stilmittel einer Tragikomödie.
Jeder muss nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst etwas vorspielen, um nicht unterzugehen. »Alles ist hier morsch! Alles faulet Holz! Alles unterminiert, von Ungeziefer, von Ratten und Mäuse zerfressen!« – heißt es so bitterbös im Stück. Denn alle Figuren leben auf ihre Weise in einer heruntergekommenen Welt des schönen Scheins und sind doch nur auf der Suche nach einem kleinen Stückchen Glück in ihrem Leben. Da ist einmal Frau John, die Gattin des Maurerpoliers John, der in Hamburg auf Arbeit ist und so seine Frau oft monatelang nicht sieht. Ihr Wunsch nach einem glücklichen Familienleben endete nach dem frühen Tod ihres Sohnes Adalbert tragisch. Wie weiterleben nach diesem Schicksalsschlag? Wäre eine Adoption ein Ausweg? Denn das polnische Dienstmädchen Piperkarcka steht als hochschwangere Frau verlassen da und sieht allein im Tod einen Ausweg. Könnte man da nicht durch eine Tat der Nächstenliebe Leben retten und sich den Wunsch nach einem Kind erfüllen? All ihr Gespartes würde sie für ein Kind schon hergeben. Doch freiwillig stimmt Piperkarcka einer Adoption nicht zu. Wie tragisch diese Geschichte ist, so komisch zeigt sich die Theaterwelt rund um den ehemaligen Theaterdirektor Hassenreuter. In seinem alten Kostümfundus trifft nicht nur er sich mit seiner Geliebten, der Wiener Schauspielerin Alice Rüttersbusch, sondern seine Tochter sich auch mit dem jungen Theologiestudenten und Möchtegern-Schauspieler Erich Spitta. Es ist schon schreiend komisch, wie hier die Welten aufeinanderprallen und alle Figuren sich auf der Suche nach den großen Gefühlen abstrampeln.
DON PASQUALE
Während Don Pasquale, der ältere, schwerreiche Junggeselle, keine Frau und sehr viel Geld hat, hat sein Neffe und designierter Erbe Ernesto eine junge Geliebte und kein Geld. Allerdings heiratet Don Pasquale lieber selbst, als seinem Neffen und dessen nicht standesgemäßer Braut das Geld zufallen zu lassen. Womit der knauserige Erbonkel allerdings nicht rechnet, ist dass die Frau, die ihm sein Arzt und Freund Malatesta als ideale Gattin präsentiert, Teil eines ausgeklügelten Plans ist, der Pasquale von seinem Hunger nach amourösen Abenteuern kurieren und Ernesto mit seiner Auserwählten zusammenführen soll. Zwischen hanebüchener Komik, aufrichtigem Empfinden und schönsten Gesangspartien entspinnt sich Gaetano Donizettis »Don Pasquale« als gewagter Spagat zwischen Opera buffa und höchster Belcanto-Kunst. Schon bei seiner Uraufführung ein riesiger Erfolg, ist dieses derb-amüsante Werk eine Studie über menschliche Abgründe, Begehrlichkeiten und die Frage danach, wie man sein eigenes Glück erschaffen kann.
BROADWAY DANNY ROSE
Der Erfolg ist nicht unbedingt auf der Seite von Danny Rose, einem glücklosen Broadway-Agenten, der die abstrusesten Künstler, wie etwa ein Luftballon-Falter-Duo, unter Vertrag hat. Doch Danny glaubt an seine Schützlinge, setzt sich unermüdlich plappernd bei Veranstaltern für sie ein und ist fest davon überzeugt, dass auch seine Klein-Künstler eines Tages zu Stars des Broadways werden. Davon kann ihn auch die traurige Wahrheit nicht abhalten, dass alle, die tatsächlich Erfolg haben, sich schnellstens einen anderen Agenten suchen. Armer Danny! Zu Dannys Klientel gehört auch Lou Canova, ein in die Jahre gekommener Sänger. Lou zerfließt in Selbstmitleid und ist nur durch Dannys aufmunternde Sprüche und dessen Fürsorge dazu zu bewegen, überhaupt noch aufzutreten. Als sich, ausgelöst durch eine Nostalgiewelle, das Blatt wendet und Lous Karriere wieder Fahrt aufnimmt, verschafft ihm Danny einen Auftritt im Waldorf Astoria. Er weiß nicht, dass Lou bereits mit einem erfolgreichen Agenten Gespräche führt und Danny nur als Auslaufmodell sieht. Trotzdem setzt er Danny noch skrupellos für seine Ziele ein. Danny soll Lous heimliche Geliebte Tina aufspüren, die ihm den Laufpass gegeben hat, und sie dazu bewegen, zum Konzert zu kommen. Tina aber ist keineswegs bereit, sich Lous Plänen zu beugen. Doch natürlich lässt Danny nicht locker, begibt sich auf ihre Fährte und gerät auf eine Mafia-Party, wo er für Tinas Liebhaber gehalten wird. Eine turbulente Verfolgungsjagd beginnt, während Lou in New York kräftig dem Alkohol zuspricht.
Die Geschichte spiegelt das Spielzeitmotto »Anders! In welcher Welt?« in einer turbulenten musikalischen Komödie im »Big Apple« New York. Hier trifft Klein-Kunst auf Mafia, doch der wahre Held ist der ewige Verlierer Danny Rose, der sich der Welt des Showbusiness’ mit ihren Erfolgsmechanismen in seiner Andersartigkeit widersetzt. Ein großer musikalischer Spaß!
LA FORZA DEL DESTINO - DIE MACHT DES SCHICKSALS
»Die Welt spielt verrückt. Was sind das bloß für Zeiten!«. Dieser Satz aus dem Munde des Mönchs Fra Melitone könnte programmatisch für Giuseppe Verdis Oper »La Forza del Destino« stehen – aber auch für unsere Zeit. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Schonungslos schuf Verdi mit seinem Melodrama ein bedrückendes Porträt einer von Krieg geprägten, zerbrochenen Gesellschaft, in der Liebe, Zuneigung und Barmherzigkeit wie Inseln des Lichts aus dem Dunkel der Welt erscheinen. »Die Macht des Schicksals« – was bedeutet das? Wer zwingt Leonora und Alvaro als Vatermörder in die Einsiedelei eines Klosters und konfrontiert sie da mit dem hasserfüllten Bruder, der nicht verzeihen kann? Ist es eine Kampfansage an die Heilsverheißung Gottes? Die himmlisch anmutende Kantilene der Solovioline erhebt sich am Ende der Oper – angesichts des Todes der Geliebten des Helden und ihres Bruders. Wer sich da in der tröstenden Dämmerung eines göttlichen Friedens wähnt, verleugnet nur eines: die Macht des Schicksals
ORFEO ED EURIDICE – ORPHEUS UND EURYDIKE
Im Grunde ist er ein rechter Jammerlappen und Weichling, dieser Orfeo. Man kann ja verstehen, dass ihn der Tod seiner Frau Euridice zu Tränen rührt, doch muss er deshalb zum Gotterbarmen herumflennen? Und als die Götter sich tatsächlich erbarmen und ihm den Abstieg in die Unterwelt gestatten, um dort vielleicht die Furien mit seinem Singen zu besänftigen – was ihm gelingt –, verpatzt er die zweite Aufgabe: Euridice hinter sich herzuführen, ohne sich umzudrehen. Wodurch Euridice erneut stirbt, doch noch einmal haben die Götter ein Einsehen und lassen sie bei den Lebenden. Als »Orfeo ed Euridice« 1762 herauskam, galt sie als Musterbeispiel für die heraufziehende Opernreform, von der wir heute noch zehren. Nach wie vor zählt die Oper zu den populärsten Werken des Musiktheaters. Sie erfreut sich auch unter Choreo-graphen großer Beliebtheit. Eine Art Ballett mit Gesang und Chor machten etwa so illustre Namen wie George Balanchine, Pina Bausch und John Neumeier aus »Orfeo ed Euridice«. Das Gleiche tut nun Abou Lagraa, französischer Choreograph mit algerischen Wurzeln, der uns in Zusammenarbeit mit der italienischen Ausstatterin Paola Lo Sciuto eine neue Sichtweise auf diesen Klassiker der Operngeschichte zeigen wird.
DIE FLEDERMAUS
»In einem Badeort in der Nähe einer großen Stadt« spielt die Operette aller Operetten. Kenner haben unschwer herausgefunden, dass es sich bei der großen Stadt um Wien handelt, und als den Badeort haben sie Baden identifiziert, 25 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegen, seit 1796 Sommerresidenz von Franz I. Niemand lässt sich gerne zum Gespött machen – auch nicht Dr. Falke, der einst nach durchzechter Faschingsnacht im Fledermauskostüm von seinem Freund Eisenstein dem Gelächter der Frühaufsteher preisgegeben wurde. Als Eisenstein zu einer achttägigen Haftstrafe wegen Beamtenbeleidigung verurteilt wird, schlägt Falkes Stunde. Er lockt den Freund auf das Fest des Prinzen Orlowsky, um sich vor Antritt der Gefängnisstrafe noch einmal zu amüsieren. Mit zunehmender Walzerseligkeit und erhöhtem Champagnergenuss macht sich größte Verwirrung breit. Erst der nächste Morgen bringt Klarheit: Alle Verwicklungen waren Teil des Racheplans. Und so nutzt der einst gedemütigte Dr. Falke die Gunst der Stunde zur »Rache der Fledermaus«.
Sonntag:
DIE RATTEN
In Hauptmanns berühmtem Stück aus dem Jahr 1911 prallen nicht nur die sozialen Konflikte eines Unten und Oben, eines Arm und Reich, sondern auch die unterschiedlichen ästhetischen Vorstellungen von Welt aufeinander. Im schönen, morbiden Schein rund um einen alten Theaterfundus in einer ehemaligen Kavalleriekaserne zu Berlin wird jedes Leid zum Stilmittel einer Tragikomödie.
Jeder muss nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst etwas vorspielen, um nicht unterzugehen. »Alles ist hier morsch! Alles faulet Holz! Alles unterminiert, von Ungeziefer, von Ratten und Mäuse zerfressen!« – heißt es so bitterbös im Stück. Denn alle Figuren leben auf ihre Weise in einer heruntergekommenen Welt des schönen Scheins und sind doch nur auf der Suche nach einem kleinen Stückchen Glück in ihrem Leben. Da ist einmal Frau John, die Gattin des Maurerpoliers John, der in Hamburg auf Arbeit ist und so seine Frau oft monatelang nicht sieht. Ihr Wunsch nach einem glücklichen Familienleben endete nach dem frühen Tod ihres Sohnes Adalbert tragisch. Wie weiterleben nach diesem Schicksalsschlag? Wäre eine Adoption ein Ausweg? Denn das polnische Dienstmädchen Piperkarcka steht als hochschwangere Frau verlassen da und sieht allein im Tod einen Ausweg. Könnte man da nicht durch eine Tat der Nächstenliebe Leben retten und sich den Wunsch nach einem Kind erfüllen? All ihr Gespartes würde sie für ein Kind schon hergeben. Doch freiwillig stimmt Piperkarcka einer Adoption nicht zu. Wie tragisch diese Geschichte ist, so komisch zeigt sich die Theaterwelt rund um den ehemaligen Theaterdirektor Hassenreuter. In seinem alten Kostümfundus trifft nicht nur er sich mit seiner Geliebten, der Wiener Schauspielerin Alice Rüttersbusch, sondern seine Tochter sich auch mit dem jungen Theologiestudenten und Möchtegern-Schauspieler Erich Spitta. Es ist schon schreiend komisch, wie hier die Welten aufeinanderprallen und alle Figuren sich auf der Suche nach den großen Gefühlen abstrampeln.
DON PASQUALE
Während Don Pasquale, der ältere, schwerreiche Junggeselle, keine Frau und sehr viel Geld hat, hat sein Neffe und designierter Erbe Ernesto eine junge Geliebte und kein Geld. Allerdings heiratet Don Pasquale lieber selbst, als seinem Neffen und dessen nicht standesgemäßer Braut das Geld zufallen zu lassen. Womit der knauserige Erbonkel allerdings nicht rechnet, ist dass die Frau, die ihm sein Arzt und Freund Malatesta als ideale Gattin präsentiert, Teil eines ausgeklügelten Plans ist, der Pasquale von seinem Hunger nach amourösen Abenteuern kurieren und Ernesto mit seiner Auserwählten zusammen- führen soll. Zwischen hanebüchener Komik, aufrichtigem Empfinden und schönsten Gesangspartien entspinnt sich Gaetano Donizettis »Don Pasquale« als gewagter Spagat zwischen Opera buffa und höchster Belcanto-Kunst. Schon bei seiner Uraufführung ein riesiger Erfolg, ist dieses derb-amüsante Werk eine Studie über menschliche Abgründe, Begehrlichkeiten und die Frage danach, wie man sein eigenes Glück erschaffen kann.
CARMEN
Es war ein heikles Unterfangen von Bizet, ein Drama – sozusagen aus dem Milieu – über ein Verbrechen aus Leidenschaft in der Pariser Opéra-Comique vorzustellen. Das Publikum der Uraufführung, erpicht auf seichte Unterhaltungsmusik, fand die heute meistgespielte Oper der Welt mit ihrer »Barbarenmusik« einfach deplatziert.
Doch Carmen ist nun einmal keine den Volant-Rock schwingende Klischeefigur aus einem Touristikprogramm. Bizets Oper ist die vielleicht erste, wenn nicht einzige realistische Oper. Das Libretto geht auf die gleichnamige Novelle von Prosper Mérimée zurück, der sich auf einen authentischen Fall bezog. Carmen, eine Arbeiterin, liebt das Leben, sie lebt selbstbestimmt und Carmen unabhängig und macht keinen Hehl aus ihrer Lebensmaxime. Ihr Drang nach Freiheit und Ungebundenheit bringt José, den Mann, der um ihretwillen seine bürgerliche Karriere aufgab, an den Rand des Wahnsinns. Doch Carmens Liebe hat Flügel. Als sie sich einem Star der Arena, dem Torero Escamillo zuwendet, passiert das Unvermeidliche ..
DIE FLEDERMAUS
»In einem Badeort in der Nähe einer großen Stadt« spielt die Operette aller Operetten. Kenner haben unschwer herausgefunden, dass es sich bei der großen Stadt um Wien handelt, und als den Badeort haben sie Baden identifiziert, 25 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegen, seit 1796 Sommerresidenz von Franz I. Niemand lässt sich gerne zum Gespött machen – auch nicht Dr. Falke, der einst nach durchzechter Faschingsnacht im Fledermauskostüm von seinem Freund Eisenstein dem Gelächter der Frühaufsteher preisgegeben wurde. Als Eisenstein zu einer achttägigen Haftstrafe wegen Beamtenbeleidigung verurteilt wird, schlägt Falkes Stunde. Er lockt den Freund auf das Fest des Prinzen Orlowsky, um sich vor Antritt der Gefängnisstrafe noch einmal zu amüsieren. Mit zunehmender Walzerseligkeit und erhöhtem Champagnergenuss macht sich größte Verwirrung breit. Erst der nächste Morgen bringt Klarheit: Alle Verwicklungen waren Teil des Racheplans. Und so nutzt der einst gedemütigte Dr. Falke die Gunst der Stunde zur »Rache der Fledermaus«
BROADWAY DANNY ROSE
Der Erfolg ist nicht unbedingt auf der Seite von Danny Rose, einem glücklosen Broadway-Agenten, der die abstrusesten Künstler, wie etwa ein Luftballon-Falter-Duo, unter Vertrag hat. Doch Danny glaubt an seine Schützlinge, setzt sich unermüdlich plappernd bei Veranstaltern für sie ein und ist fest davon überzeugt, dass auch seine Klein-Künstler eines Tages zu Stars des Broadways werden. Davon kann ihn auch die traurige Wahrheit nicht abhalten, dass alle, die tatsächlich Erfolg haben, sich schnellstens einen anderen Agenten suchen. Armer Danny! Zu Dannys Klientel gehört auch Lou Canova, ein in die Jahre gekommener Sänger. Lou zerfließt in Selbstmitleid und ist nur durch Dannys aufmunternde Sprüche und dessen Fürsorge dazu zu bewegen, überhaupt noch aufzutreten. Als sich, ausgelöst durch eine Nostalgiewelle, das Blatt wendet und Lous Karriere wieder Fahrt aufnimmt, verschafft ihm Danny einen Auftritt im Waldorf Astoria. Er weiß nicht, dass Lou bereits mit einem erfolgreichen Agenten Gespräche führt und Danny nur als Auslaufmodell sieht. Trotzdem setzt er Danny noch skrupellos für seine Ziele ein. Danny soll Lous heimliche Geliebte Tina aufspüren, die ihm den Laufpass gegeben hat, und sie dazu bewegen, zum Konzert zu kommen. Tina aber ist keineswegs bereit, sich Lous Plänen zu beugen. Doch natürlich lässt Danny nicht locker, begibt sich auf ihre Fährte und gerät auf eine Mafia-Party, wo er für Tinas Liebhaber gehalten wird. Eine turbulente Verfolgungsjagd beginnt, während Lou in New York kräftig dem Alkohol zuspricht.
Die Geschichte spiegelt das Spielzeitmotto »Anders! In welcher Welt?« in einer turbulenten musikalischen Komödie im »Big Apple« New York. Hier trifft Klein-Kunst auf Mafia, doch der wahre Held ist der ewige Verlierer Danny Rose, der sich der Welt des Showbusiness’ mit ihren Erfolgsmechanismen in seiner Andersartigkeit widersetzt. Ein großer musikalischer Spaß!
ORFEO ED EURIDICE – ORPHEUS UND EURYDIKE
Im Grunde ist er ein rechter Jammerlappen und Weichling, dieser Orfeo. Man kann ja verstehen, dass ihn der Tod seiner Frau Euridice zu Tränen rührt, doch muss er deshalb zum Gotterbarmen herumflennen? Und als die Götter sich tatsächlich erbarmen und ihm den Abstieg in die Unterwelt gestatten, um dort vielleicht die Furien mit seinem Singen zu besänftigen – was ihm gelingt –, verpatzt er die zweite Aufgabe: Euridice hinter sich herzuführen, ohne sich umzudrehen. Wodurch Euridice erneut stirbt, doch noch einmal haben die Götter ein Einsehen und lassen sie bei den Lebenden. Als »Orfeo ed Euridice« 1762 herauskam, galt sie als Musterbeispiel für die heraufziehende Opernreform, von der wir heute noch zehren. Nach wie vor zählt die Oper zu den populärsten Werken des Musiktheaters. Sie erfreut sich auch unter Choreo-graphen großer Beliebtheit. Eine Art Ballett mit Gesang und Chor machten etwa so illustre Namen wie George Balanchine, Pina Bausch und John Neumeier aus »Orfeo ed Euridice«. Das Gleiche tut nun Abou Lagraa, französischer Choreograph mit algerischen Wurzeln, der uns in Zusammenarbeit mit der italienischen Ausstatterin Paola Lo Sciuto eine neue Sichtweise auf diesen Klassiker der Operngeschichte zeigen wird.
Abo-Mix:
FLÜSTERN IN STEHENDEN ZÜGEN
»Ich habe Freunde auf der ganzen Welt.« »Guten Abend, Microsoft Kundenservice, Sie sprechen mit Anton Müller, was kann ich für Sie tun?« Mit dieser scheinbar harmlosen Frage beginnt das Theaterstück von Clemens J. Setz und schon ist sein Protagonist, schlicht »C« genannt, mittendrin im Schlamassel. Denn angeblich
gibt es einen Virus-Befall seines Computers und Anton Müller, oder welche Namen sich die Stimmen hinter den Hotline-Nummern auch immer geben, will erst einmal die Kundennummer – später dann sicher auch noch Kreditkarten-Nummer und Passwörter wissen. Abzocke pur! Das ist »C« schon lange klar und so dreht er den Spieß rum und nutzt all die Menschen, die rund um den Globus in anonymen Callcentern sitzen und Nähe und Hilfsbereitschaft vorgaukeln müssen, als nächtliche Gesprächspartner.
AB JETZT
Jerome, Komponist elektronischer Musik, lebt ganz in seiner Welt von Computern, Verstärkern, alten Tonbandgeräten und Stimmen-Aufzeichnungen jeder Art. In seinem Chaos hat er kaum bemerkt, dass er von seiner Frau Corinna und Tochter Geain verlassen wurde. Einzig »Gou 300 F«, der nicht ausgereifte Prototyp eines Roboters, ursprünglich als Kindermädchen konstruiert, bleibt ihm als Gesprächspartner in seiner Wohnung, die langsam aber sicher vermüllt. Wie könnte er seine Frau zurückgewinnen oder wenigstens das Sorge- oder Umgangsrecht für seine Tochter bekommen? Jerome muss handeln! Doch »Gou 300 F« kommt mit all ihren Macken nicht wirklich zum Vorgaukeln einer vertrauenerweckenden Beziehung in Frage. So bestellt er sich bei einer Agentur die Schauspielerin Zoe Mill. Sie will er überreden, für vierundzwanzig Stunden die liebende, sorgende Gefährtin zu spielen, denn ein Sozialarbeiter hat seinen Besuch angekündigt, um die häusliche Situation des verlassenen Vaters zu bewerten. Doch schon bei Zoes erstem Vorstellungsgespräch geht alles drunter und drüber und ein Missverständnis reiht sich ans andere...
HAIR
»Hair« hatte mit seiner Uraufführung 1967 das Theaterleben am Broadway gehörig aufgemischt und ist heute aktueller denn je: Peace! Love! Freedom! Das AutorenTrio Rado, Ragni und MacDermot brach mit den Sehgewohnheiten des Publikums, dieses Love-Rock-Musical wollte schockieren und schockierte und gehörte dann doch zu den größten Broadway-Erfolgen. »Hair« drückte der Pop-Kultur seinen Stempel auf. Die Sprache war derb und die Darsteller standen teils splitterfasernackt auf der Bühne. Es ging um freie Liebe, Rauschgiftkonsum und Kriegsdienstverweigerung. Aber der anarchistische Musical-Schocker war mehr als nur Protest und Lobpreisung des alternativen Lebens und ist deshalb nicht tot zu kriegen. Eine Geschichte über Menschen, die ihre Meinung sagen und sich für Frieden und Toleranz einsetzen, er-
scheint heute ebenso aktuell wie gegen Ende der 1960er Jahre. In rasend schnell wechselnden episodenhaften Szenen – von einer Handlung kann man kaum reden – feiert diese bunte Revue ihren Protest gegen das Establishment, und die langen Haare der Hippies oder »Freaks«, wie sie sich nennen, sind das Zeichen ihrer Abgrenzung.
LA FORZA DEL DESTINO - DIE MACHT DES SCHICKSALS
»Die Welt spielt verrückt. Was sind das bloß für Zeiten!«. Dieser Satz aus dem Munde des Mönchs Fra Melitone könnte programmatisch für Giuseppe Verdis Oper »La Forza del Destino« stehen – aber auch für unsere Zeit. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Schonungslos schuf Verdi mit seinem Melodrama ein bedrückendes Porträt einer von Krieg geprägten, zerbrochenen Gesellschaft, in der Liebe, Zuneigung und Barmherzigkeit wie Inseln des Lichts aus dem Dunkel der Welt erscheinen. »Die Macht des Schicksals« – was bedeutet das? Wer zwingt Leonora und Alvaro als Vatermörder in die Einsiedelei eines Klosters und konfrontiert sie da mit dem hasserfüllten Bruder, der nicht verzeihen kann? Ist es eine Kampfansage an die Heilsverheißung Gottes? Die himmlisch anmutende Kantilene der Solovioline erhebt sich am Ende der Oper – angesichts des Todes der Geliebten des Helden und ihres Bruders. Wer sich da in der tröstenden Dämmerung eines göttlichen Friedens wähnt, verleugnet nur eines: die Macht des Schicksals.